3 Wanderungen in der Provence

05.03.2021

Am vorletzten Februartag zog es mich für sechs Tage in die Provence. Auf dem Programm stand die Überführung eines Fahrzeugs und bei der Gelegenheit natürlich ein paar Wanderungen in die Berge. Einfach drei Tage für Wanderungen einplanen und einen Tag für die Modifikation der Staukiste meines MiniCampers. Diese bedarf nämlich noch einer Anpassung in den Dimensionen, damit ich den Prototyp nach erfolgreichem Test dann professionell umsetze, dann aus hochwertigem Material meiner Wahl.

Oben links ist unser Ziel
Oben links ist unser Ziel

Wir starteten also unsere erste Wanderung unspektakulär zwischen Peyruis und Montfort, zwei kleinen Orten zwischen Sisteron und Manosque, direkt auf den Weg zum Gipfel des Forêt Domaniale du Prieuré. Im Vergleich zu den Bergen drum herum also alles andere als spektakulär. Dort in der Nähe ist auch eine alte Kapelle, die Chapelle St. Donat, aber auf dem Gipfel erwartete uns eine kleine rundum verglaste (abgeschlossene) Hütte, die wie ein Buswartehäuschen anmutete. Und der Wind pfiff uns reichlich um die Ohren. Bis es soweit war, sollten wir uns echt quälen. Uns kam die Hintour zäh und kräftezehrend vor. Trotz frühlingshaftem Sonnenschein, der bei windigen Verhältnissen die Temperaturen auf gute 16° brachte, schwitzen wir reichlich, suchten bei Pausen aber Windschatten, um nicht auszukühlen.

Der "See" ist ein Solarfeld
Der "See" ist ein Solarfeld

Es gab natürlich eine schöne Siesta mit Käse, Wurst, Brot, Obst und wohltuendem Kaltgetränk. Wir begegneten niemandem. Kein Wanderer weit und breit. Als wir mit der Siesta fertig waren, kam ein fittes älteres Wanderpaar dazu. Kurz danach mehrere jüngere Leute mit zwei Hunden. Das ist insofern bemerkenswert, weil auch sie alle reichlich gelaufen sein müssen, denn mit Fahrzeug ist dort kein Hinkommen möglich. Für französische Verhältnisse ist das eher selten.

Figur gelaufen
Figur gelaufen

Das Besondere, genauer gesagt Herausfordernde an dieser Wanderung waren die zehn Kilometer, die wir querfeldein gegangen waren und teilweise recht steil raufgingen. Im Prinzip auch nichts besonderes. Nur es war unsere erste Tageswanderung seit Monaten. Wir ließen uns Zeit, empfanden die insgesamt 20 Kilometer aber als sehr anstrengend. Es sollte die längste unserer drei Touren sein. Im Ergebnis am Ende dieser Tour waren wir sehr froh, endlich wieder am Domizil angekommen zu sein. Wir waren fix & foxi 🤡


Gorges de Trévans - Die zweite Tagestour

Die war klasse! Einfach nur schön. Das vorweg.

Dazu bemühten wir unser Auto, um in eine mir vertraute und eigentlich bekannte Region etwa 30 Kilometer entfernt zu gelangen. Aber auch meinem Freund, stellte ich nicht weniger erstaunt fest, kannte bisher den Gorges de Trévans nur auf der Karte. In all den Jahrzehnten, die er dort lebt, entdeckt auch er noch "Neuland".

Wir starten also bei Estoublon (in der Nähe von Mézel) und gehen - den falschen Weg! Zumindest sind wir zu Beginn nicht der Ausschilderung gefolgt, sondern der Karte und ihrer Linienführung.

Zuerst etwas verunsichert, weiterzugehen, weil wir doch durch die Schlucht (Gorges) wollen, entscheiden wir uns, einfach weiterzugehen. Es ist eine kleine enge Départementstraße, wo null Verkehr, viele Kurven und alles steil aufwärts geht. Die Logik gibt uns recht (Karten lesen will gelernt sein!), aber auch unser Bedürfnis, gerne erstmal auf festem Grund zu laufen und nicht wieder steile Schotterpiste. Unsere Füße danken es uns.

Sein Kumpel stoppte den Autofahrer
Sein Kumpel stoppte den Autofahrer

Unterwegs stoppt einer unserer besten Vierbeiner-Freunde ein Auto, weil er scheinbar alleine auf der Straße läuft. Tatsächlich Autoverkehr! Der aufmerksame Autofahrer, der hinter der Kurve hervorkommt, fragt, ob wir einen Hund suchen. Wir verneinen und fragen bei der Gelegenheit sicherheitshalber nach dem Weg, und sogleich wird unsere Richtung bestätigt. Wir gehen fröhlich und übrigens bei frühlingshaften und nicht windigen, aber sonnigen 17° entspannt weiter. (Der Himmel ist wolkenfrei und stahlblau, nur fürs Protokoll.)

Dann sehen wir den Weg gegenüber, den wir gehen müssen. Mein Freund sagt, das muss ein ziemlich abgängiger Pfad sein, das könnte schwierig werden. Wir machen Fotos, ich sehe keinen besonderen Schwierigkeitsgrad. Ich mache ein weiteres Foto mit Zoom. Ab dem Moment werde ich stiller. Und denke, naja, umdrehen können wir immer noch. Sage aber, da ist nichts.

Links oberhalb der Bildmitte sieht man eine schmale horizontale Linie: das ist gleich unser Weg.

Wir gehen also weiter und müssen ins Tal, wo der Fluss der Schlucht mit irre kaltem wie klarem Wasser langprescht. Obwohl die Hunde nur am Hecheln sind, trinken sie nur wenig

Ab da geht es nur gut aufwärts. Wir denken nur noch an die Passage. Schließlich kommen wir an die erste von zwei Passagen, wo wir Schwierigkeiten wähnen. Die erste meistern wir. Bei der zweiten sind wir sehr konzentriert und halten uns an großen Steinen und Baumgeäst fest, die greifbar sind. Letztendlich schaffen wir auch das. Ich sagte mir, wenn es wirklich extrem wäre, würde darauf hingewiesen werden. Abgesehen davon kann man aber auf dem Geröll "schön" abrutschen und eine Möglichkeit, sich zu fangen, wäre dann eher unwahrscheinlich. Mit anderen Worten: man würde nicht im freien Fall x Meter runterstürzen, sondern poltern, kullern, schlagen. Lawinenartig. Und unbremsbar. Wie auch immer. Mit solchen oder ähnlichen Bildern im Kopf sind wir unfallfrei über den Pfad gekommen und haben echte Stille, Vogelstimmen und unseren Herzschlag und bestenfalls gelegentlich das Hecheln unserer beiden Hunde gehört. Kein Motorgeräusch, keine Stimmen, nix! Stille kann man hören.

Die Ruine der Chappelle St.-André
Die Ruine der Chappelle St.-André

Der Pfad ist schmal und es lässt sich gut und sicher wandern. Rechts gehts zwar steil runter, aber viel Bewuchs durch Sträucher und Bäume vermitteln Sicherheit. Es geht wieder gut bergan. Wir befinden uns nun mitten in, genauer gesagt, über der Schlucht und wähnen uns plötzlich mitten im Wald. Der einst schmale Pfad war verschlungen und ist hier ein schmaler Weg. Wir erreichen die Ruine auf dem Gipfel. Natürlich ist es wieder eine Kapelle und wird Chapelle St.-André genannt und liegt 800 Meter hoch. Die Ruine ist mit Absperrband und Warnhinweisen versehen. Aber da wir nun mal in Frankreich sind, ist es üblich wie Standart, dass solche Dinge wie selbstverständlich ignoriert werden. Wir gehen dann nochmal richtig steil und (gefühlt) viel bergauf - und endlich sind wir angekommen. Und sind nicht alleine. Ein Vater macht dort mit seiner vielleicht zehnjährigen Tochter Picknick. Er empfiehlt uns auf die Spitze der Ruine zu gehen, dort habe man einen fantastischen Blick. Das machen wir doch glatt und unser wohlverdientes Picknick findet also endlich bei herrlichem Sonnenschein und herrlichem Rundumblick statt.

Der fröhliche Wanderer
Der fröhliche Wanderer

Es geht wieder bergab, wieder bergauf, der Verlauf macht weitere Kurven und schließlich sind wir wieder rechtsseitig am Fluß, dem wir eine Zeit lang nebenher laufen und zum Ende hin erneut eine Brück überqueren.

Hier gibt es große vom Wasser ausgespülte Felsen und das Bild erinnert sehr an Märchen und Waldgeister. Die Schlucht neigt sich für uns ihrem Ende, für die meisten anderen, die die Wanderung machen, beginnt sie hier.

Ab hier begegnen uns nun vereinzelt mehrere Wanderer, wahrscheinlich, um diesen Ort zu genießen. Denn für den Start der kompletten Wanderung um diese spätere Nachmittagsstunde wäre es eh zu spät. Auch hier zeigt sich, dass wir alles richtig gemacht haben: wir sind bis auf den freundlichen Autofahrer, der uns gute Auskunft gab, bis zur Ruine - und ab da wieder niemandem begegnet. Das hatte schon was zen-artiges.
Wir haben noch etwa eineinhalb Kilometer bis zum Auto und habenwunderschöne Impressionen dieser Wandertour in uns aufgenommen.
Wer hier wandern möchte, sollte sich unbedingt Essen & Trinken mitnehmen, denn weit und breit gibt es keine Gastronomie.

(Bilderklicken vergrößert)

Unsere Tagesfigur
Unsere Tagesfigur

Wir sind 14 Kilometer gewandert und haben 485 Höhenmeter zurückgelegt. Ausgeschildert waren acht Kilometer. Soviel zu unser Vorhaben, nach Wegbeschreibung zu gehen. Diese Schlucht ist unscheinbar, weil man sie weder von Haupt- noch von Nebenstraßen ausfindig macht. Für Interessenten, die nicht von hier sind, aber gerne solche Touren unternehmen möchten, lohnt sich allemal, eine regionale Karte von Michelin dabei zu haben. Diese sind nach meinen Erfahrungen die genauesten. Für diese Tagestour bzw. Halbtagestour braucht man keine Karte, weil die Wege gut gekennzeichnet sind. Als Tourist in unbekannten Gebieten empfiehlt sich aber Kartenmaterial. Netzempfang ist mal gut, mal nicht vorhanden. Aber das kennt man ja. Auf mobile Geräte, die Mobilfunk benötigen, sollte man sich da nicht verlassen.


Montagne de Lure - Die dritte Tour

Beste Freunde ohne Furcht & Tadel
Beste Freunde ohne Furcht & Tadel

Nachdem jeder von uns den Dienstag arbeitsschaffend fleißig war, nahmen wir uns am Mittwoch das Gebirge von Lure um St.-Étienne les Orgues unter die Füße & Pfoten, denn unsere treuen Begleiter waren selbstverständlich dabei.

Diese Wanderung fand in luftiger Höhe zwischen 1.600 und 1.760 Meter statt. Wir sind etwa von dort 463 Höhenmeter und knapp neun Kilometer gegangen bei weitgehend durchgängig bewölktem Wetter. Die Wetterfrösche hatten sonniges Wetter angesagt. Egal.

Wir waren etwa fünf Stunden zu Fuß unterwegs. Schotter und ab und zu Schnee hatten wir unter unseren Füßen. Die Hunde freuten sich vor allem über den Schnee, der noch teilweise da war. Mein Freund weniger, weil er keine hohen Wanderschuhe trug. Naja, so wurden seine heißen Fußsohlen gelegentlich mittels Schnee erfrischt 😂

Unser Figurenlauf heute
Unser Figurenlauf heute

Wir pendelten höhenmäßig innerhalb und oberhalb der Baumgrenze. Außerdem gab es kaum welche. Aber wir hatten trotzdem gute Sicht auf die Alpen und insgesamt ein sagenhaftes Panorama.
Bei unserem Picknick kreisten häufig Adlerpaare in guter Sichtweite. Das war beindruckend. Wir konnten die durchgängig schneebedeckten Gipfel sehen Richtung Italien und auch die Berge bei Barcolenette, wo übrigens die höchste befahrbare Straße Europas langführt (2.800 Meter hoch, (wohlgemerkt reguläre Straße -nicht Piste!). Und das ist auch die Region, wo vor einigen Jahren das verheerende Flugzeugunglück, verursacht durch einen psychisch kranken deutschen Piloten, herbeigeführt wurde.
Auch so was kommt einem in den Sinn, wenn man wandert.
Wir hatten frische 6° und froren nicht dank steiler Hänge und Windschatten beim Picknick. 

Ein netter Abschluss eines kurzen Trips in die Provence in karger Landschaft und herrlicher Ruhe und stimmiger Atmosphäre. (Aber es geht noch karger, mit verblüffender Mondlandschaft. Darüber werde ich bestimmt auch noch berichten.)


Munter bleiben
Brehjean - Das bessere Tagebuch