Cap Land

23.02.2021

Jahre suchte sie, verglich technische Daten, Preise, Gebrauchtangebote, Neufahrzeuge, Camper mit Tageszulassungen, Jahreswagen, besuchte Messen in Deutschland und Frankreich, erwog eine Kategorie größer, sogenannte Kastenwagen. Und nun?!

Nun hat sie sich entschieden. Meine Frau hat eine Entscheidung getroffen. Ich glaub es (fast) noch nicht. Sie hat sich für einen Cap Land vom französischen Ausbauer Dreamer entschieden auf Ford Custom-Basis. (Sie hätte auch einen Fiat irgendwas von 1975 nehmen können: sie hat sich entschieden! Das ist es!

Für mich ist es eine Wohltat, weil es mich entlastet. Richtig entlastet und damit beruhigt. Alle paar Wochenenden präsentierte meine eindeutig bessere Hälfte Vorschläge, Entwicklungen, Veränderungen bei Herstellern und und und. Und ich hörte interessiert zu (weil Mann & Technik ja immer passt). Was ja auch weitgehend zutreffen mag. Aber wenn das über eine Zeit von vier oder mehr Jahren geht, dann entwickelt jemand wie ich Kompetenzen, unter anderem im hauswirtschaftlichen Bereich, dass ich im Rückblick selbst erstaunt bin.

Wie auch immer: es ist ein Ford geworden mit einer soliden Grundausstattung und Motorisierung. Der Ausbau ist von Dreamer, einem französischen Ausbauer.

Wie der Cap Land sich im (Freizeit)Alltag bewährt, werde ich gerne an dieser Stelle berichten. Ich selbst bin ja ein "MiniCamper"-Fan. Mit dem Cap Land haben wir eine Komplettausstattung, Diese beinhaltet neben den üblichen Ausstattungsmerkmalen auch eine integrierte Toilette  und eine Dusche. Mehr als zwei Schlafplätze gibt es durch das Aufstelldach oben und unten sowieso. Strom (3 Batterien!) und einiges mehr. Das können die sogenannten Kastenwagen eh schon. Aber auf Niveau eines Ford Custom (vergleichbar mit einem VW T6) mit Aufstelldach) wird die Luft schon erheblich dünner.
Eine Webasto Diesel-Standheizung, 10-Liter-Boiler (Gas) und 50 Liter integrierter Frischwassertank und 55 Liter Abwassertank runden den Campingbereich ab.

Für uns ist interessant, ob und wie sich das oben beschriebene Campingfahrzeug im Touren-Alltag bewährt: Wie ist der autarke Umgang wirklich? Kann man mit dem Cap Land tatsächlich entspannte drei, vier Tage unabhängig von Wasser- und Stromquellen sein? Die Betonung liegt auf entspannt. Ist die Dusch- und Toilettennutzung ebenso alltagstauglich nutzbar? Wirklich unabhängig und dementsprechend entspannt?
Das sind für uns Kernfragen und sind neugierig auf die Antworten.

Der VW-Bus meiner Frau (sie ist ein Fan dieser Kategorie) ist seit 2009 bei uns im Einsatz. Er hat seitdem alle jährlichen Inspektionen erhalten. Bei etwa 165000 Km war die Zylinderkopfdichtung hinüber. Etwas vorzeitig, aber kann passieren. Ansonsten waren die üblichen Wartungsarbeiten zu erledigen. Er ist sozusagen scheckheftgepflegt und hat heute 295000 Km gelaufen. Aus erster Hand wurde er bei 27.800 Km gekauft.

Das gute Stück ist im wahrsten Sinne robust. Immer etwas rau, aber durchzugsstark bei knapp zwei Liter Hubraum und 102 PS. Wie wir im Lauf der Jahre nach dem Kauf feststellen sollten, eine gute Wahl. Die größeren Maschinen sollen richtig störanfällig sein.

Der Verbrauch des VW ist faszinierend. Er verbraucht sensationelle 7,5 Liter auf 100 Km. Wir haben fast nie 8 Liter oder mehr verbraucht.

Es kommt bei der neuen Besitzerin des Ford (auch bei mir) spürbar Wehmut auf, wenn sie die Jahre des Bulli Revue passieren lässt. Denn das Fahrzeug ist immer noch gut. Richtig gut und zuverlässig.
Auf der anderen Seite hat sie sich nun im Prinzip ein Fahrzeug der gleichen Größenkategorie gekauft, nur mit modernen (und erweiterten Ausstattungsmerkmalen). Die Antwort ist eigentlich schon gegeben: Autarkie. Durch Toilette, Duschmöglichkeit und Aufstelldach ergeben sich trotz allem geografisch erweiterte Perspektiven.

Der VW-Bus und die Touren, die wir mit ihm in Europa unternommen haben,  hätte eine eigene Würdigung verdient. Aber nun ist es zu spät. Er wird abgelöst durch den deutlich modernen Ford Transit Custom.

Eins steht fest: so gut der Ford auch sein mag; er muss sich ganz schön ins Zeug legen, um dem VW-Bus ebenbürtig Paroli zu bieten. Gut ist er ja.

Warum ich es gut finde (aber auch meine Frau), dass die Entscheidung nicht für einen VW getroffen wurde, ist schnell gesagt: Zum einen gibt es mittlerweile zahlreiche andere Marken, die in der selben Typklasse längst gute "Bullis" im Markt platziert haben. So zB. Peugeot/Citroën, Opel, Toyota und eben Ford. Andererseits sind die Preise vergleichsweise bezahlbar. Mit anderen Worten: VW ist da erschreckend hochpreisig (geblieben), um nicht zu sagen, unverschämt. Auch der Mythos reicht da nicht mehr aus. Im Februar 2021 ist der Transporter immerhin 70 Jahre alt geworden (!)

Zum anderen spielt auch die gesellschaftspolitische jüngere Geschichte eine Rolle. Wer über viele Jahre die Käufer ihres Produktes massiv betrügt (befremdlich, dass heute noch Journalisten von "Schummelsoftware" sprechen), kann, ja, darf nicht noch in der Folge durch Neukauf unterstützt werden. Trotzdem scheint das vielen Leuten egal zu sein. Denn der Volkswagenkonzern hat trotz allem kaum bis gar nicht Käuferschwund zu vermelden.

2022 wird der Bau des Transporter T6 bei VW eingestampft und nicht mehr gebaut. Damit ist er Geschichte. In einem großen Deal zwischen VW und Ford hat man sich darauf verständigt, dass der künftige "Transporter" von Ford gebaut wird. Im Gegenzug wird VW den "Tourneo" von Ford bauen, dann als Caddy "gebrandet". Und Ford baut den Tourneo nicht weiter (was nicht nur ich sehr bedauerlich finde).
Wer die Fachpresse verfolgt, dem wird nicht entgangen sein, dass VW seit Jahren Probleme mit seinen Motoren hat. Die bekommen das Motorenmangement einfach nicht in den Griff. Ob es daran liegt, dass VW über mehr als ein Jahrzehnt Hinz & Kunz schlichtweg betrogen hat (Abgasskandal) 🤭?

Es gäbe dazu noch erheblich mehr zu sagen. Aber das soll zur Verdeutlichung reichen. Letztendlich gibt es immer mehrere Aspekte, die den Ausschlag geben für das eine und gegen das andere. Mein "Fanboy" von VW-Bulli, meine Frau, hat sich entschieden. Ich denke, sie hat mit dem Ford eine sehr gute Wahl getroffen. Wir berichten über unsere Erfahrungen mit dem Cap Land natürlich an dieser Stelle.


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