Euro-Gespanntreffen

29.08.2022

Am 26. August wollte ich losfahren nach Weiswampach in Luxemburg, um am Euro-Gespanntreffen teilzunehmen. Als Solo-Fahrer mit meiner Honda wollte ich dabei sein, mit Zelt, Sack & Pack. Wie früher, in der guten alten Zeit.

Aber ich musste wegen eines akuten Darminfekts die Tour um einen Tag verschieben. Leider.

Überflieger aus den 80ern
Überflieger aus den 80ern

So trudelte ich immerhin noch am Samstag nachmittag mit meinen MiniCamper ein. Zwar nicht ganz stilecht, aber Gespannfahrer sind nun mal ein freundliches wie tolerantes Völkchen. Es war ein riesengroßes Zeltlager und jede Menge an Gespannen dabei. 907 Stück sollen es gewesen sein, wie ich am Abend erfuhr. Da am Sonntag zwar noch vormittags offiziell die Veranstaltung laufen würde, hoffte ich auf viele interessante Gespräche mit motorraderfahrenen Gespannfahrern, befürchtete zugleich, dass daraus nix werden würde, weil dann vermutlich alles und jeder im Aufbruchmodus sein wird. Also machte ich mich gleich nach Ankunft am Samstag Nachmittag auf den Weg über das weiträumige Gelände 

Ich sprach viele Fahrer auf ihr Gespann und ihre Erfahrungen an. Technisch interessiere ich mich natürlich für bestimmte Lösungen, vor allem mit Hund im Seitenwagen - Und viele Hundehalter mit ihren Begleitern im Beiwagen waren tatsächlich vor Ort. Das war hochspannend. Mir war klar, dass mittelfristig bei uns eine Lösung her muss. Hundi will mit auf Touren gehen, wenn wir fahren wollen. Aber das geht nun mal (noch) nicht. Dies ist auch ein wesentlicher Beweggrund, warum ich mich für Gespanne interessiere. Die Lösung mit einem Hänger hinter dem Moped ist für uns zumindest keine Lösung. Und für Hundi wäre es eine Tortour.

So habe ich auch mit verschiedenen Gespannbauern gesprochen, die vor Ort waren, die die Transformation einer Solo-Maschine zu einem Gespann vornehmen. Da gehen dann schon mal Preise und Zeitspannen, in welchen so ein Projekt realisiert werden kann, durch die Decke. Wartezeit hier ein Jahr, beim anderen volle zwei Jahre. Und dann wird man für den fachgerechten Umbau so viel Geld los, da könnte man sich schon einen neuen Golf leisten. Wenn man sein Solo-Motorrad mitbringt, wohlbemerkt!

Dann gibt es da noch die alten Ural-Gespanne mit Boxer-Motor, die auf den ersten Blick wie eine nostalgische BMW aussehen. Und auch heute noch gebaut und neu erworben werden können. Und das für vergleichsweise kleines Geld. Die hatte ich mir im Vorfeld eingehender angeschaut.

Oder chinesische, erstaunlich ausgereifte kräftige Zweizylinder-Gespanne, die in Serie gefertigt werden und auf soliden japanischen Motoren basieren, die den Nachbau in Lizenz ermöglicht. Ein französischer Importeur kümmert sich um die Einfuhr und Verkauf in der EU.

Ich habe die Möglichkeit gehabt, mit einem netten Ehepaar aus Bremen beim Gespanntreffen mal im Seitenwagen über das riesige Areal mitzufahren. Es war eine 455er Mash Military Side Force. Eine schöne Einzylinder mit bescheidenen, aber alltagstauglichen 29 PS, Rückwärtsgang und moderatem Verbrauch um die viereinhalb Liter. Die Besitzer haben sich sehr positiv über das gute Stück geäußert und waren gerade über drei Wochen damit im Urlaub unterwegs. Da sie bereits mehrere verschiedene Gespanne gehabt haben und entsprechend viel Erfahrungen, darf man ihrer Begeisterung dafür guten Gewissens glauben.

Dann gibt es da noch die ChanJiang mit 55 PS mit einem schönen 650er Twin. Ebenfalls mit Rückwärtsgang und auch als geländetaugliche Version. Ich habe mal Probe gesessen. Fahren wollte ich bewusst nicht, denn mir fehlt noch jede Fahrpraxis mit einem solchen Gefährt. Gespannfahren ist definitiv anders und kann man nicht kompensieren - auch nicht durch jahrzehntelange unfallfreie Fahrpraxis als Solist (das nur am Rande). Man fängt fast bei null an.

Meine Begeisterung für diese Form des Reisens ist eher noch größer geworden. Und ja - ich könnte mir kurzfristig eins der oben beschriebenen Gespanne zulegen. Aber mir ist klargeworden, dass ich nicht ein zusätzliches Fahrzeug bei uns auf dem Hof haben möchte. Verkaufen möchte ich allerdings meine -gefühlt immer noch neue- Honda auch nicht. Vielmehr reizt es mich, die bewährte Qualität der Honda in ein gut gebautes Gespann umzusetzen mit einem unschlagbar niedrigem Benzinverbrauch und dem einzigartigen Doppelkupplungsgetriebe und einer sagenhaften Reisetauglichkeit. Einzigartig!

Was mir am Rande aufgefallen ist

Moto Guzzi mit Holzboot
Moto Guzzi mit Holzboot

Es waren viele Moto Guzzi vertreten. Skurile wie schrille Schönheiten. Das gilt für alle Marken. BMW-Gespanne waren derer natürlich auch sehr zahlreich. Ein BMW-Gespann wurde von einem Guzzi-Gespann abgeschleppt. Das deckt sich mit Erfahrungsberichten einiger (ehemaliger) BMW-Gespannfahrer auf dem Treffen: sobald die Kisten öfter am Leistungslimit betrieben werden, geht irgendwas kaputt. Sei es das Getriebe, irgendeine Dichtung oder weiß der Geier was. Kann ich aus meinem Umfeld auch bestätigen. Und da wir selber zwei BMW (Solos) gehabt haben mit ständigen Maleschen mit der Elektrik, kommt uns keine mehr ins Haus.

Desweiteren habe ich viele XJ900 gesehen. Dafür, dass die schon seit 2003 nicht mehr gebaut werden und viele noch aus den 80er Jahren stammen, war ich angenehm überrascht. Einmal, weil sie so "alt" waren, zum anderen, weil einige Exemplare wie aus dem Ei gepellt aussahen. Klasse! Als langjähriger XJ900-Fahrer sind die mir natürlich sofort ins Auge gesprungen. Einer der besten Reihenvierer, die einfach nur laufen, laufen, laufen (das Gegenteil von BMW also - das ist meine ganz persönliche Meinung) und prädestiniert sind als Zugmaschine für ein Gespann.


Das ist auch schon mein wesentliches Fazit von diesem Euro-Gespanntreffen. Ich beschäftige mich eigentlich schon viele viele Jahre gedanklich damit, habe es aber immer wieder nach hinten gedrängt, verschoben, negiert und so weiter. Aber jetzt ist die Zeit reif. Und ich bin froh, dass ich nach Luxemburg gefahren bin und viele inspirierende Gespräche führen konnte und dabei neue Erkenntnisse und Klarheit gewonnen habe.

Im Vorfeld habe ich in den vergangenen drei Monaten Kontakte zu verschiedenen Gespannbauern in ganz Deutschland aufgenommen und auch einen persönlich besucht. Meine Entscheidung ist nun nach dem EGT gefallen und der Auftrag ist vergeben. Anfang Oktober geht mein Motorrad nach Bayern. Im Februar/März 2023 bekomme ich es wieder - als Gespann. Dazu muss ich noch eine Hürde meistern. Die Zulassung in Frankreich. Trotz EU usw. gibt es zum Teil erhebliche Probleme. Aber das wird mir auch gelingen. Wenn es soweit ist, werde ich darüber gerne berichten.


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