Risoul

10.02.2022

Auf in die französischen Alpen. Zum Skilaufen und Schneewandern. Eine Woche Schnee, klare kalte Nächte und tagsüber Sonne satt.

Der Camper steht brav geparkt neben hunderten anderen Fahrzeugen, während wir ein -natürlich völlig überteuertes- Appartement für eine ganze Woche angemietet und bezogen haben. Das ist auch klar, weil diese und die kommende Februarwoche Hochsaison ist in Frankreich für Wintersport. Alle Schulen dicht und alle raus auf die Pisten.
Da auch bei uns die Kinder dabei sind, hätten wir im Camper auch keine Kapazitäten. Also dann mal los.

Kalt, schön & gut
Kalt, schön & gut

Los ist hier wahnsinnig viel. Genau so, wie ich es gar nicht mag. Allerdings dreht sich alles um die Skipisten. Und mit denen habe ich nichts am Hut. Während Frau und Kinder vormittags wie nachmittags Ski laufen, begebe ich mich mit Hundi buchstäblich abseits der Pisten. Derer gibt es auch reichlich.

Die zugeschneiten Weg unterscheiden sich in einem wesentlichen Punkt: die breiten Wege, also in der schneefreien Zeit auch befahrbar, sind breit und haben eine feste Schneedecke. Tritt man an den Rand, steht man unvermittelt mehr als knietief im Schnee. Zwei-, dreimal gemacht, kommt man ganz schön ins Schwitzen, wenn man sich wieder rausgepuhlt hat.
Die ausgeschilderten schmalen Pfade dagegen sind die klassischen Wanderwege. Die Schneedecke ist, je weiter man in den Wald geht, mehr oder minder angefrorenen. Wenn man vorsichtig drauftritt, kann es halten. Oder auch nicht.
Am Sonntag machte ich am Nachmittag nur knappe sechs Kilometer. Zunächst ging ich neben einer Skipiste und mühte mich so auf den Bergrücken. Eigentlich alles ganz nah beieinander. Es mögen vielleicht zwei Kilometer gewesen sein. Ich ging natürlich zunächst am Rand der Piste, wurde aber von der Pistenkontrolle freundlich, aber bestimmt, gebeten, diese zuverlassen und neben ihr zu gehen. Das hatte ich befürchtet. Also mussten Hundi & Herrchen steil bergauf durch kniehohen Schnee stapfen. Das war enorm kräftezerrend und schweißtreibend.

Natürlich schafften wir dies und waren geschafft. Das heißt, ich war geschafft. Mein Hund ist fröhlich und schneeliebend, wie er nun einmal ist, kreuz und quer gehüpft, hat sich selbst ordentliche Stöcker aus dem Schnee gepickt, damit ich mit ihm spiele.
Oben angekommen, schwur ich mir, nur einen echten Weg zurück zu nehmen. Dass sollte doch möglich sein! Und siehe da, ich fand auch einen. In der Ferne. Dazu mussten wir nun bergab, aber erstmal weiter durch knietiefen Schnee. Das ging dann auch. Es war etwa minus 3°, aber mir war nur warm und ich brauchte keine Handschuhe. Skifahren mag ja sportlich sein, aber mein Schneegestapfe ist mindestens so sportlich oder körperlich fordernd - wahrscheinlich sportlicher; nur eben nicht so elegant.

Es dämmerte schon, es war 18 Uhr. Aber ich hatte die richtige Orientierung. Und so stapfte und trampelte ich über den offiziellen Wanderweg mit dem Nachteil, dass fast jeder Schritt mich immer wieder etwa einen halben Meter tief einsinken ließ.
Ich hätte dazu auch meine Racettes (Schneeschuhbretter, die man sich unter seine Winterschuhe schnallt) nehmen können. Aber bei meiner spontanen Schneewanderung hatte ich nicht vorgehabt, die kleinen voll verschneiten Pfade zu nehmen. Aber ich habe immer meine Eisen in Verwendung (Schneeketten für Winterschuhe, die man sich ebenfalls drunterschnallt). Damit hat man selbst bei steilem Glatteis einen sicheren Tritt! Absolut unentbehrlich.

Unspektakulär, aber anstrengend
Unspektakulär, aber anstrengend

So kam ich denn nach Einbruch der Dunkelheit gut angefeuchtet zurück zum Domizil. Schuhe von außen naß, Hosenbeine bis zu den Knien naß. Aber sonst war ich nur durchgeschwitzt, mir war warm und da es erst die zweite "kleine" Wanderung war, war ich schon ziemlich erledigt. Wie gut ein heißes Bad, ein gutes Kaltgetränk und eine solide Brotzeit am Ende des Tages doch sein können. Die anderen waren natürlich längst zurück. Ich bin mir nicht sicher, ob sie meine sportive Herausforderung als solche überhaupt gesehen haben. Schließlich sind sie es gewesen, die die Pisten runtergebrezelt sind.


Der nächste Tag gestaltete sich wie eigentlich alle anderen auch: vormittags ausgedehnter Spaziergang, nachmittags ebenfalls wieder ein Spaziergang oder Schneewanderung. Dieses Splitten in vor- und nachmittags hat einfache Gründe. Wenn ich eine Tageswanderung machen würde, müsste ich einen (kleinen) Rucksack für Proviant und Wasser mitnehmen. Da mir schon so schnell warm wird, wollte ich keinesfalls noch einen Rucksack auf dem Rücken haben. Zu schnell ist Shirt und Hemd nassgeschwitzt. Bei Pausen oder Bergkuppen wird's dann heftig kalt und die nassen Sachen kleben.

So haben wir uns alle für eine gute Mittagszeit immer im Appartement getroffen, haben gekocht, gut gegessen, jeder berichtete ein wenig über Erlebtes und machten fast immer eine Siesta. Gegen 14 Uhr strömten alle wieder aus.

Ich nahm mir vor, meine zweite Etappe des Tages gezielt ruhig anzugehen ... und machte mich auf den Weg. Von unserem Domizil führten zunächst immer die gleichen Wege in den Wald. Also schlug ich vom bekannten Weg die Richtung nach Vars ein, um dann deutlich vor besagtem Ort querfeldein bergan auf den mir bekannten Waldweg zu stoßen, den ich dann wieder Richtung Risoul "Bergstation" nehmen wollte. Es sollte ja eine kleine Tour werden. Nach Vars auf ausgeschildertem Weg und zurück wären es mindestens 16 Kilometer geworden. Außerdem war es schon wieder Spätnachmittag und nur noch 40 Minuten bis Sonnenuntergang. Also schritt ich beherzt los. Und ich sackte wieder bei jedem dritten Schritt knietief im Schnee ein. Oh man, das kann ja heiter werden - aber wieder umdrehen kam nicht in Frage.

Mehrmals machte ich den vermeintlichen Hauptweg aus, den ich erreichen wollte. Jedes Mal war es ein Irrtum. Also noch weiter bergan. Es war irgendwie lächerlich: ich kam nur mühevoll und gefühlt kaum vorwärts und der Sonnenuntergang rückte näher. Bloß nicht mitten im Wald ohne Weg und Orientierung bei Dunkelheit sein, dachte ich. Also weiter.

Ich schaffte es und war geschafft. Der breite Hauptweg. Endlich. Die Sonne war längst untergegangen und die Resthelligkeit im Schnee hatte ausgereicht, ohne Hektik den Weg und damit die Gewissheit der richtigen Orientierung wiedergefunden zu haben.

Tanz der Vampire

So gingen Hundi und ich auf dem breiten Weg, nun im Mondschein, wieder Richtung Domizil. Alles seicht und ohne weitere Steigungen. Derweil hoffte ich im Stillen und redete mir ein, dass die etwa vier Kilometer entfernte Schlittenhundestation in Nähe unseres Appartements längst geschlossen hat wegen Dunkelheit, keine Fahrten und so weiter. Von weitem hörte ich dann irgenwann den einen oder anderen Hund heulen. Zwischenzeitlich war es dunkel mit Schatten im Schnee, jetzt vom Mondschein verursacht. Es war weit und breit nix zu hören. Außer Geheule in der Ferne. Es war wirklich faszinierend gespenstisch.
Ich dachte an den Filmklassiker mit Professor Abronsius, der mit seinem Adepten Alfred in den Südkarpaten mit Pferdeschlitten im tiefsten Winter des Nachts reist. Dabei das Heulen der Wölfe (und vermeintlichen Vampire) im Nacken, noch rechtzeitig die Herberge erreichend.

(Wer, wie ich, schon mal zwei Schlittenhundegespanne an sich hat vorbeiziehen gehabt, weiß, warum man als Hundehalter ein mulmiges Gefühl hat. Acht bis zehn Hunde pro Schlitten. Man selbst geht gaaaaanz weit am Wegesrand, weit weglaufen vom Weg querfeldein geht wegen des tiefen Schnees nicht. Und mehr als einmal waren damals einige der Hunde im Gespann ausgerissen und hatten sich auf uns zu stürzen versucht. Jedes Mal war es ein stressiges Unterfangen, auch wenn die Schlittenlenker beherzt eingriffen.)
Und ich konnte es nicht glauben. Hinter der letzten Kurve standen zwei Gespanne bereit. Im Dunkeln. Hunde eingespannt, scharrten mit ihren Pfoten und waren aufgekratzt wie verrückt. Also doch! Schlittenausfahrt im Dunkeln durch die nächtliche Bergwelt im Mondschein. Aber sie standen noch geparkt und die Hundeführer prüften nochmal alles durch. Kaum passierten wir die Meute, setzte sich das erste Gespann bereits in Bewegung. Man, was war ich froh, keine Minute später dran gewesen zu sein....Jetzt hatten wir es noch einen knappen Kilometer und ich war saufroh, endlich wieder zurückzukehren. Aber von wegen kleine Wanderung. Ja, klein im Sinne weniger Kilometer Wegstrecke, aber irgendwie doch anstrengend, kräftezerrend mit einem Hauch Grusel.


So verging die Woche ratzfatz und wir waren auf kleinstem Raum mobil unterwegs. Nur zu Fuß und in einem vergleichsweise kleinen Radius von vielleicht neun Kilometern haben wir Wege und abseits davon die Region erkundet. Da es eine reine Wintersportregion ist und nahezu alle Gäste nach dort zum Skilaufen kommen, sind wir häufig allein im Wald unterwegs gewesen. Wir waren so gut organisiert, dass wir kein Auto brauchten zum Einkaufen und noch nicht mal in einem Restaurant essen waren. Das war uns erst am Ende unseres Aufenthalts aufgefallen. Vermisst haben wir nichts.

In der weiteren Umgebung (Briançon) gibt es noch zwei weitere Skistationen. Eine liegt in etwa auf 2300 Meter Höhe und die andere auf 2730 Meter. Wir waren auf der niedrigsten mit 1850 Metern. In Frankreich gibt es alljährlich die Winterferien und sind immer im Februar und zwei Wochen lang. Diese sind dem Commerce geschuldet, sagt meine bessere Hälfte. Für den landesweiten Tourismus.
Die teuerste Zeit ist die zum Jahreswechsel und eben in den Winterferien. Für das etwa 18 qm kleine Appartement mit einem Etagenbett und einem Klappsofa im Wohnküchenbereich wurden für sieben Tage 950 € fällig. Sehr happig. Aber für skihungrige Leute ist das offenbar den Preis wert. Von den vielen Appartementhäusern, wo jedes Haus schätzungsweise 60 bis 150 solcher Ferienwohnungen bereithält, waren allerdings nicht alle belegt. Aber die Lage der Häuser ist in unmittelbarer Nähe zu den Seilbahnen und Pisten.

Für mich als ausgewiesenen Nicht-Skifahrer ist das mal für eine Woche "aushaltbar", zumal ich auch dem Winter, dem Schnee, der Frische & Kälte, sehr viel abgewinne und Wanderungen jeglicher Art liebe. Auch die Einkehr nach einer langen Wanderung in einen Gasthof mit Glühwein & Co weiß man dann sehr zu schätzen. Aber letzteres ist bei den Galliern eher nicht bekannt und Gasthöfe, wie wir sie in Deutschland & Österreich kennen, gibt es dort dementsprechend auch nicht. Aber Restaurants und davon jede Menge. Aber die sind auf Massen von Menschen eingerichtet und hatte uns gar nicht angesprochen.

Es gibt auch einen ausgewiesenen Parkplatz für "Camping-Cars". Kann man machen und würde ich auch mal gerne für zwei, drei Übernachtungen ausprobieren. Wer eine Diesel-Standheizung hat, sollte beachten, dass das Gute Stück auch in der kalten Höhe von 1850 Meter problemlos arbeitet. Webasto zB. weist darauf hin, dass deren Diesel-Standheizungen im Betrieb bei einer Höhe von über 1500 Metern Höhe beschädigt werden könnten. Das wäre dann nicht mehr so witzig.
Also muss ich mich noch schlau machen, was zu tun ist, um dem vorzubeugen. Aber das beleuchte ich dann mal ein andermal.


Munter bleiben
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