Drei Tage Jura im Februar mit MiniCamper

01.03.2023

Am Sonntag habe ich mich mit Hundi auf den Weg gemacht. Es ist das letzte Wochenende im Februar und wir wollen ohne Campingplatz drei Tage in der französischen Jura verbringen. Wir wollen ausprobieren, wie das freie wilde Nomadenleben ist, für wenige Tage unabhängig und bei winterlichen Temperaturen - mit dem MiniCamper, ist doch logo.

Außerdem kommt sonst meine gute Heizkiste gar nicht zum Einsatz. (Eins sei aber jetzt schon verraten: es wurde dreckskalt!)
Weiterer Anlass ist das neue große Reisemobil meines Freundes, was er sich Anfang des Monats gegönnt hat: ein 6,40 m langer Ducato-Kastenwagen. Also alles andere als Mini. Noch dazu mit allem modernen Schnickschnack mit großem eleganten Kühlschrank, elektrischer Trittstufe, Doppelstandheizung und allem erdenklichen Komfort. Er will es unbedingt ausprobieren, ist doch klar. Seine bessere Hälfte ist auch dabei, hat sich aber an den Kopf gefasst und gefragt, warum wir uns ausgerechnet im Winter in der französischen Jura und nicht eher im Süden an der Côte Azur treffen?

Urgemütlich: Kamin und Kerzenschein. Nur wegen des Stromausfalls
Urgemütlich: Kamin und Kerzenschein. Nur wegen des Stromausfalls

Nun ja - wir wollen wandern, das geht nicht so toll am Mittelmeer und außerdem sind die Hunde auch dabei. Ihr war es letztlich recht. Zum Ausprobieren für einige Tage kann sie das neue Fahrzeug ausgiebig kennenlernen und bei angenehmer Heizleistung lesen, Filme gucken, abhängen.

Meine Freunde sind Gourmets. So ist es also kein Wunder, dass Didi ein gutes Restaurant ausgesucht hat, wo wir dann am späten Nachmittag aufeinandertreffen sollten: Sie aus der Provence, wir aus dem Elsaß. Fifty-fifty Wegstrecke sozusagen.

Besagtes Restaurant ist in in Cormoz "Le grand Ronjon", von einem Ort kann man nicht wirklich sprechen. Vielmehr ist es eine ländliche Region, wo alle paar Kilometer mal ein, zwei Häuser oder Bauernhöfe stehen - und eben unser verabredetes Restaurant. Kaum zu glauben, dass sich Menschen hierhin verirren.

Die Anfahrt war sonntagstypisch ausgesprochen ruhig. Auf die ersten 30 Km schneite es leicht. Diese Art dünne Schneeflocken, die sich schnell verflüchtigen sollten. Es war ein Sonne-Wind-Wolkenmix, allerdings sehr kalt. Insgesamt kaum Verkehr und wir legten nach 200 Km einen ausgiebigen Stopp bei Ranchot ein. Das Wetter hielt sich, das Schneien war nur eine vorübergehende Erscheinung. Zunächst also ein Spaziergang über ein paar Km entlang der Doubs. Ein Fluss, der sich durch die ganze Jura schlängelt und ist eine wahre Perle für Langwanderer, Kanufreunde, Radfahrer-Enthusiasten und Mopedfahrer. Die Landschaft ist teilweise atemberaubend, die man aber teilweise nur aus Wanderperspektive in ihrer vollen Pracht erfahren kann. (Die Doubs werde ich alsbald in einer mehrtägigen Tour mit Moped & Hund erkunden und darüber hier berichten. Versprochen.)

So trudelten wir am Spätnachmittag da ein, wo sich ansonsten Fuchs & Hase gute Nacht sagen. Nur die Anzahl so einiger Parkplätze ließ darauf schließen, dass hier wohl öfter mehr als nur fünf Gäste das Restaurant besuchen. Kann man sich kaum vorstellen, so abgelegen, wie das hier ist. Landschaftlich hügelig und weitsichtig, sehr gefällig. Aber einfach nix los. Hund & ich komplett allein. Die Freunde aus der Provence auch noch nicht in Sicht.
Also parken wir unseren MiniCamper in einer eigens dafür vorgesehenen grünen Parkfläche. Diese erinnert eher an eine Parzelle eines Campingplatzes. Daneben kein weiterer Platz, sondern Wiese. Abgeschieden und ruhig. Und doch ein Parkplatz neben dem Restaurant. Klasse!
Also was machen wir? Aussteigen und erstmal einen Spaziergang machen. Kaum ausgestiegen, blies es mir fast das Toupet weg. Ein extrem kalter und scharfer Wind forderte dazu auf, den Schal aus bester schottischer Schurwolle aus Edinburgh anzulegen und die Babourjacke von oben bis unten fest zu verschließen, Wollmütze auf - und dann konnte es losgehen. Handschuhe hatte ich leider keine mit. (Man - was war das dreckskalt!)

Während unseres etwa einstündigen Spaziergangs bei vollem Sonnenschein sind wir an einem Bauernhof vorbeigekommen. Da machte es einmal ein Mordsspektakel - und schon war eine große Scheune ein halbes Dach los. Einfach so. Danach wieder Ruhe, bis auf das laute Windgeräusch. Keine Menschenseele weit und breit. Meine Wetter-äpp zeigte 40 Km/h Windgeschwindigkeit an. Meine Finger konnte ich kaum bewegen, weil durchgefroren. Andererseits verlangte mein Hund Arbeitsaufträge wie Stock aufnehmen, verstecken, suchen & bringen. (Was habe ich da meine Handschuhe vermisst!) Mich wunderte das alles ein wenig. Ich bin ansonsten nicht so kälteempfindlich. Aber die Luft war extrem trocken.

Kaum vom Spaziergang zurück und gut durchgefroren, kamen unsere Freunde an. Freude über das Wiedersehen, begrüßen (vor allem der Hunde), Einparken, Fahrzeuge in den Camping-/Nachtmodus bringen, Hunde mit Futter versorgen: all das brauchte seine Zeit und es wurde dunkel und Zeit, sich im Resto (= franz. Kurzform v. Restaurant) zu melden. Aber es wurde richtig dunkel. Also keine Beleuchtung. Nirgends. Man sah auf Kilometer weit und breit kein beleuchtetes Haus; nicht mal eine Straßenlaterne. Nur schwacher Kerzen- und Kaminschein, wenn man nah ans Fenster des Resto's ging - und die hatten geöffnet.

Also nix wie rein. Wir wurden nett begrüßt. Schnell stellte sich heraus, dass wir die einzigen Gäste des gemütlich wirkenden Restos waren. Und das sollte so bleiben. Auf jedem Tisch stand eine Kerze und der Kamin gab wunderbare Wärme und einen kuscheligen Lichtschein ab.
Die Wirtin war sehr gesprächig und erzählte uns vom weitflächigen Stromausfall und dass auch das Festnetz-Telefon nicht funktioniere. Nach vielem Hin- und Hererzählerei gaben wir die Bestellung. Irgendwann später wurde serviert. Man musste genau hinsehen, um zu erkennen, was da an den Tisch gebracht wurde. Unsere Taschenlampen halfen dabei.Immer wieder kam die Wirtin an den Tisch und wollte gar nicht mehr weg und plauderte, was das Zeug hielt, während ihr Mann bei Kerzenlicht in der Küche werkelte. Sie hatte vor vielen Jahren auf Sylt gearbeitet und auch einige Zeit in Hamburg gelebt. Sie hatte dort eine ihrer besten Zeiten erlebt, die sie nicht mehr missen wollte, wie sie sagte.
Zum Essen gab es übrigens den für den in der Jura typischen "gelben Wein", den vin jaune. Schmeckt etwas nach Abendmahlwein, allerdings herb in der Grundnote und ganz sicher nicht mein Fall. Den anderen schmeckte er.

Nach der witzigen ausgedehnten Restaurantvisite ging es durch Stockfinsternis schlappe 70 Meter zu unseren Campern und wir läuteten langsam die Nachtruhe ein.


Der Montag zeigte sich im frischen stahlblauen Sonnenschein und es wehte eine frische Brise, aber die sturmartige Kraft war weg, wie vom Winde verweht 🤭. Aber die trockene Kälte war geblieben. Wir fuhren ins etwa 35 Km entfernte Louhans. Dort war zufällig Markt. Und der war gar nicht mal so klein. Natürlich parkten wir in der Nähe und wollten eigentlich "nur gucken". Und ehe wir bis drei zählen konnten, waren schon über hundert € ausgegeben für dicke Landeier, Wurst, Schinken und Käse. Alles regional. Hühner, Hähnchen & Co sind regionaltypisch für die Jura. Da es gestern Abend Geflügel gab, richteten wir den Fokus auf andere Leckereien.
Ich für meinen Teil musste ständig in Bewegung sein, weil ich sonst das Gefühl hatte, am Boden festzufrieren. Man sah nur dick eingemummelte Leute. Louhans ist ein nettes kleines Städtchen, aber durch die Kälte zog es uns weiter nach Château-Chalon. Dieses Dorf auf einem Berg (wo sonst?!) gilt als schönster Ort Frankreichs. Ich befürchtete Schlimmes, da mir gefühlt hunderte sogenannte schönste Orte bekannt sind, die touristisch übelst überlaufen sind. Doch weit gefehlt! Dieser Ort ist schlicht und vielleicht deshalb schön. Vielleicht auch, weil es innerorts kein Café, kein Restaurant, kein Supermarché etc. gibt. Zumindest habe ich nichts gesehen.
Die Lage ist so zauberhaft, dass wir am Ortsausgang einen kleinen Parkplatz am Friedhof parkten und eine starke Stunde mit den Hunden Ort und Weinhänge erkundeten. Zuvor aber gab es auf der Wiese neben dem Friedhof ein ausgiebiges Picknick. Mmh - was tat das gut: futtern in der Sonne ohne übertrieben starker Wind. Urlaubsgefühl.

Am Spätnachmittag machten wir uns auf den Weg nach einer Bleibe für die Nacht. Wir wurden in den Reben rund um Arbois fündig. Zuvor wollte mein Freund eigentlich auf einen Campingplatz finden. Und zwar, weil seine Bordbatterie schon fertig war (unfassbar: ein funkelnagelneues Campingfahrzeug mit allem Schnickschnack und hält keine 24 Stunden autonomes Stehen aus!). Ok., der super große Kühlschrank zimmert was an Strom weg - und dann nur AGM-Batterien als Versorgung ...
Wie auch immer. Der C-Platz hatte zu und die freundliche Dame dort empfahl uns eine Campmöglichkeit auf einem schönen kleinen Bauernhof. Obwohl in der Nähe, suchten und kurvten wir fast ein dreiviertel Stunde, bis wir den unscheinbaren, aber knuffig schönen Hof fanden. Aber auch dort leider Fehlanzeige, weil die Chefin weg wollte für einige Tage und sonst niemand da wäre. Oder so. Nun ja.
Also habe ich die Führung übernommen und fanden schließlich besagte Reben (wo ich von vornheirein hinwollte) und damit ein ruhiges Plätzchen. Wir verbrachten eine ruhige gute Nacht. Und meine Freunde kamen auch damit klar - ohne externen Stromanschluss.


Kalt und ruhig am Morgen
Kalt und ruhig am Morgen

Dienstag morgen war es wieder sonnig. Die Trinkgefäße der Hunde wiesen eine Eislandschaft auf. Es war nicht oberflächlich gefroren, sondern alles Wasser war ein einziger Eisblock. Nicht zu fassen!
Wir ließen uns Zeit, versorgten die Hunde und uns mit einem ausgedehnten Frühstück und bis wir (vielmehr ich) alles tourengerecht verstaut hatte, fuhren wir nach la Cuisance, zehn Km entfernt.

Wir wollten das Geburtshaus von Louis Pasteur besuchen, heute ein Museum. Leider wird es gerade renoviert und ist geschlossen. Schade, schade. Louis Pasteur war franz. Chemiker, Biochemiker und begründete die Mikrobiologie (1822-1895). Der erkannte entscheidende Prozesse in Gährvorgängen (u.a. Haltbarmachung von Lebensmitteln durch Pasteurisierung). Dürfte jedem irgendwie geläufig sein.
Im weiteren Verlauf kamen wir am Restaurant la finette vorbei. Didi, schlau wie der ist, ging rein und reservierte sofort einen Tisch für uns zu Mittag. Es war schon kurz vor zwölf, aber wir wollten erstmal durch den Ort stiefeln. Ich dachte, er übertreibt mit dem Reservieren; wer soll hier schon das Resto füllen.
Von wegen! Wir waren eine kleine halbe Stunde später wieder beim Resto und nahmen unsere Reservierung ein. Im Laufe der Zeit, wo wir das absolut super leckere mehrgängige Essen genossen, kamen unglaublich viele Menschen, meist Gruppen von vier, fünf Leuten und eine Riesentruppe. Keine Ahnung, wo die alle Platz fanden. Aber das Resto hat alle geschluckt. Ohne Reservierung hätten wir keine Chance gehabt.
Erst im Nachgang habe ich erfahren, dass das la Finette eine angesagte Adresse in der Region ist. Ohne meinen schlauen informierten Freund wäre das an mir vorbeigegangen. Reisen also bildet 🙃

Am Nachmittag wollten wir zu guter Letzt dann doch mal einen Campingplatz aufsuchen. Uns trieb es nach Nans sous Sainte-Anne. Aber auf dem Weg dorthin war der fragliche CP (und im Orrt davor) auch noch geschlossen.


Zwischen Lons und Genf waren wir
Zwischen Lons und Genf waren wir

Also machten wir dort noch einen kleinen Spaziergang und entschieden dabei, dass wir statt morgen heute am Spätnachmittag wieder nach Hause fahren. Mir war es schon recht, da ich mich, erstmal morgens aus dem warmen MiniCamper raus, draußen bei noch Minusgraden aufgehalten habe. Mir zog es ständig an den Handgelenken kalt hoch und dieses Dauerfrösteln wurde ich tagsüber kaum los. Ein Phänomen war, dass ich weder Smartphone, noch iPad per Fingersensor öffnen konnte. Die Struktur des Fingerabrucks scheint sich bei anhaltender trockener Kälte tatsächlich deutlich zu verändern. Diese Form der Kältenummer war und ist für mich eine neue Erfahrung gewesen. Zunächst wunderte ich mich, dass ich scheinbar ein einzige bin, der am Frieren gewesen ist. Während meine Freunde in ihrem großen Camper alles innerhalb ihrer vier Wände machen können bei laufender Heizung, sieht das bei MiniCampern wie meine Art, zu campen, spürbar anders aus.

Blöd war, dass bei Kälte meine Verdunkelung (Scheibenabdeckung ringsrum mit Saugnäpfen) nicht gut klappte. Immer wieder fiel eine Sichtschutzmatte von einer Fensterscheibe ab. Also werte ich diese Art der Abdunklung / Sichtschutz als untauglich bei winterlichen Temperaturen und werde dafür eine andere Lösung finden müssen.

Während meine Freunde sich die gesamte Tour über auf Landstraßen organisiert haben und in Grenoble noch einen Übernachtungsstopp einlegten, bin ich nur Autobahn gefahren. Eigentlich hätte ich mir die 26,20€ Autobahngebühren sparen können, denn es gibt eine fast autobahnähnliche Nationalstraße zu mir nach Hause. Aber irgendwie wollte ich es so bequem wie möglich haben.

Das war die erste spontan gemachte gemeinsam verabredete Tour mit Freunden. Das hat uns allen gut gefallen. Und für alle war es etwas Neues - und wir freuen uns schon auf die nächsten gemeinsamen Fahrten - dann bei freundlicheren Temperaturen und ausgedehnten Wandereskapaden.


Munter bleiben
Rumpelholz - Das bessere Tagebuch